Forms of the Shadow – Kuratiert von Sunjung Kim

Der Schatten ist ein machtvolles Zeit-Bild, das ständigen Wandel verkörpert. Er bleibt nie derselbe. Der Schatten entsteht durch das doppelte Wirken des Lichts wie der Dinge, die es verdunkeln. Der Schatten veranschaulicht die Bewegung der Sonne, doch seine Formen bestimmt, was ihrem Licht den Weg versperrt. Die Performativität des Schattens liegt in seiner Reflexivität.

Das seit 2012 laufende Real DMZ Project ist ein Versuch, über einige der Schatten nachzudenken, die der Kalte Krieg wirft. Im Mittelpunkt steht die besondere geografische Region namens Demilitarisierte Zone (DMZ). Diese Grenze, an der wie fast nirgends sonst auf der Welt schwer bewaffnete Feinde sich gegenüberstehen, teilt die koreanische Halbinsel nicht nur räumlich, sondern auch spirituell. Die DMZ als Pufferzone zwischen Nord- und Südkorea ist ein in sich geschlossenes Land, das die Schatten auf beiden Seiten widerspiegelt. Als seelische Abwehrreaktion ist die DMZ eine Wirklichkeit, die sich aus dem Bewusstsein der Menschen auf der koreanischen Halbinsel gezielt löschen lässt, aber nie verschwindet. Zu verschiedenen Zeiten und je nach wechselnden politischen Bedürfnissen taucht sie wieder auf und wirft ihren Schatten auch auf unsere Zeit nach dem Kalten Krieg. Das Real DMZ Project will die Dinge ins Licht rücken, die es Licht verdunkeln, und die besonderen Formen des Schattens der DMZ nachzeichnen.

Im nackten Tageslicht

»… erst im nackten Tageslicht stürzte die Wirklichkeit ein.« – Chika Sagawa

Die globale Pandemie war das nackte Licht, das unsere Wirklichkeiten zum Einsturz gebracht hat. Wir haben erfahren, dass wir enger miteinander verbunden sind, als wir uns das vorgestellt hatten. Diese Pandemie hat ein Schlaglicht auf die Schatten unserer Zeit geworfen: die Klimakrise, Armut, Ungleichheiten, die Verwandlung der natürlichen Lebensgrundlagen in Finanzinstrumente, Kriege und Grenzen. War das Real DMZ Project der Versuch, die Formen des von der DMZ geworfenen Schattens zu begreifen, schlagen wir jetzt ein neues Kapitel vor, das über diese besondere geografische Grenze hinausblickt. Wie können wir die Formen des Schattens in unserer Zeit sehen?

Von durch Konflikte zerrissenen Schlachtfeldern über Bereiche massiver Unterdrückung und angespannte Staatsgrenzen bis hin zu Gefängniskolonien untergraben die im Land der Schatten allgegenwärtigen Beschränkungen der Bewegungs- und anderer Freiheiten fortwährend den natürlichen Energiefluss. Wie bringen wir das nackte Tageslicht in das Land des Schattens? Wie rekonfigurieren wir die spezifischen raumzeitlichen Bereiche, die durch unsere zeitgenössischen räumlichen Störungen entstehen? In diesem Projekt soll das Auge der:s Künstlerin:s für das nackte Tageslicht stehen, das das Sinnliche umverteilt, um räumlichen Störungen entgegenzutreten. Indem wir unsere Wahrnehmung der Welt, in der wir leben, vermitteln, möchten wir eine Szenografie unserer aufgewühlten Gegenwart schaffen, die unsere Gefühle erklärt. Ziel dieser Strategie ist es, beim Publikum einen Wandel herbeizuführen, der es vertraute Sinnlichkeiten in unvertrauten Geschichten erkennen lässt. Wir wollen die Herrschaft über unsere Körper wiedererlangen, die durch den Schatten unserer Zeit eingeengt werden. Diverse künstlerische Motive haben dieses neue Kapitel inspiriert, darunter wandernde Lichter in Haegue Yangs Jalousien-Serie, das in Spiegeln sich verdoppelnde Licht in den Filmen von Sung Hwan Kim, Minouk Lims Suchscheinwerfer in S.O.S. und der Einsatz von Licht in Young In Hongs Stickarbeiten.

In der Auseinandersetzung mit Themen wie der Klimakrise, Arbeitsmigration und Grenzen hat das Real DMZ Project sich immer weiterentwickelt und ist über sich hinausgewachsen. 2015 präsentierte es sich auf Einladung von Slought an der University of Pennsylvania. 2017 entstand in Zusammenarbeit mit der Kunsthal Aarhus (Dänemark) die Aarhuser Ausgabe des Projekts. Es folgten Ausstellungen im New Art Exchange in Nottingham (UK) 2018, im Kunstmuseum Wolfsburg 2022 und in der SAW Gallery in Ottawa 2023. Jede neue Ausgabe war durch den Kontext vor Ort mit seinen eigenen Themensetzungen und die auftraggebende Institution mitgeprägt. Für die Fassung in der Secession werden wir österreichische Künstler:innen einladen, über die eigenen Fragen, die sich in Wien stellen, nachzudenken. Aus logistischer Perspektive setzen wir verstärkt auf eine grüne Praxis. Wir werden versuchen, Transporte zu minimieren, und den Schwerpunkt auf neu in Auftrag gegebene Arbeiten und Performance-Programme legen. Schließlich sind wir gern bereit, Fördermittel für das Projekt einzuwerben und dazu Anträge beim Arts Council Korea und bei der Korean Foundation einzureichen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diesen Projektvorschlag zu lesen. Ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung und freue mich darauf, mit Ihnen über alle auftretenden Fragen und Probleme zu sprechen.

Kuratiert von
Sunjung Kim (Gastkuratorin / guest curator)
war Chefkuratorin und stellvertretende Leiterin (1993–2004) und Leiterin (2016–2017) des Art Sonje Center in Seoul, wo sie seit 2022 künstlerische Leiterin ist. Sie ist außerdem Vorsitzende von ICOM Republik Korea (2023–) und Mitglied des Vorstands der Asia-Pacific Alliance (ASPAC) des Internationalen Museumsrats ICOM. Sie war künstlerische Leiterin von ACC Archive & Research am Asia Art Culture Center (2014–2015) und Vorsitzende der Gwangju Biennale Foundation (2017–2021). Außerdem war sie künstlerische Leiterin des von ihr gegründeten REAL DMZ PROJECT, eines die Grenzen des Museums überschreitenden Kunst- und Forschungsprojekts, das 2011 ins Leben gerufen wurde, um die (un)sichtbaren Grenzen der demilitarisierten Zone in Korea mittels Kunst kritisch zu beleuchten und für die andauernde Teilung Koreas zu sensibilisieren. Am Art Sonje Center hat sie seit 2007 Ausstellungen mit Werken von Künstler:innen wie Martin Creed, Kim Beom, Haegue Yang, Lee Bul, Sung Hwan Kim und Abraham Cruzvillegas kuratiert. Außerdem war sie Kokuratorin von Heidi Buchers Ausstellung 2023.

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