Abgestaubt! Der Professor und der Kunsthandel

Die Sonderpräsentation Vitrine EXTRA, die in regelmäßigen Abständen in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums unterschiedliche antike Artefakte vorübergehend in der Dauerausstellung präsentiert, führt Besucher:innen in das Jahr 1875, auf die Spur von Universitätsprofessor Athanasios Rousopoulos (1823–1898). Erfahren Sie mehr über die von ihm angekauften Objekte und über seine Bedeutung als Gelehrter, Sammler und Kunsthändler.

Im Jahr 1875 wurden für die Wiener Antikensammlung fünf antike Objekte aus Athen angekauft. Die Geschichte ihres Erwerbs macht uns mit ihrem Vorbesitzer bekannt: Athanasios Rousopoulos (1823–1898), eine schillernde Figur der Archäologie seiner Zeit. Als erfolgreicher Gelehrter im damaligen Königreich Griechenland war er Networker in archäologischen Kreisen und Spezialist für antike Kunstdenkmäler; als Kunsthändler und Besitzer einer umfangreichen privaten Antikensammlung in Athen stand er in stetem Kontakt mit Sammler:innen und Museen in ganz Europa.

Die Objekte aus dem Besitz von Rousopoulos wurden 1875 von der Wiener Antikensammlung angekauft, nachdem Otto Benndorf, damals Professor in Prag und später Ordinarius in Wien, diese bei Rousopoulos gesehen und beschrieben hatte: drei rotfigurige Vasen (Lekythen) und zwei Terrakottastatuetten mit bunter Bemalung, die man damals als »Tanagräerinnen« bezeichnete. Die genauen Umstände sind im Briefwechsel zwischen der Direktion der Antikensammlung des damaligen Kunsthistorischen Hofmuseums (heute Kunsthistorisches Museum Wien) und Rousopoulos dokumentiert. Sie werden in der Hörstation der Ausstellung präsentiert:

»So wie ich Ihnen in meinem Briefe […] schrieb, sind die drei Vasen verschickt. Da noch Raum im Kasten war, so fügte ich noch zwei kleine Tanagräerinnen bei.«

Rousopoulos war damals bestens vernetzt und auf dem Höhepunkt seiner archäologischen Karriere in Athen. Einige Jahre später sollte die griechische Denkmalbehörde jedoch gegen seinen Kunsthandel intervenieren, da Rousopoulos oftmals nach persönlichen Interessen statt im Sinne der Behörden handelte. Bis zu seinem Lebensende blieb er aber privat in regem Kontakt mit Archäologen und Museen, war zwischen Wissenschaft und Kunsthandel ein »Wissenshändler« und »Kunstschaflter«.

Die Vitrine Extra #4 schöpft aus dem Forschungsprojekt Neu-Griechische Antike: eine Objektvernetzung zwischen dem Archäologen Athanasios Rousopoulos und dem Kunsthistorischen Museum Wien, ein Projekt des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Heritage Science).

Die Geschichte antiker Objekte von ihrer Auffindung bis heute nachzuvollziehen, ist das zentrale Anliegen in der Provenienzforschung historischer Kunstsammlungen, die archäologische Denkmäler besitzen. Wer war wann und wo beteiligt, welche Umstände führten zum Erwerb und wer entschied, welches Objekt gekauft werden sollte und warum? Welche Abschnitte einer Objektgeschichte können anschließend im Museum gezeigt werden und welche gilt es noch zu entdecken und zu veröffentlichen? Damit treten, zusätzlich zum kunsthistorischen Wert und der Bedeutung eines antiken Objektes für die Menschen des Altertums, kulturhistorische Aspekte für die beteiligten Personen moderner Zeiten in den Vordergrund.

Das in einem Forschungsschwerpunkt des Instituts für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien entwickelte Projekt widmet sich genau diesen Fragen und erhellt die Beziehungen zwischen archäologischen Tätigkeiten, dem Antikensammeln und der Museumsverwaltung im 19. Jahrhundert.

Teile diese Veranstaltung
Details der Veranstaltung
Kommentar schreiben

Details der Veranstaltung