CASE STUDIES ON RUBENS BY SLAWOMIR ELSNER

Zweifellos faszinieren die kühnen Bildwelten von Peter Paul Rubens (1577–1640) bis heute und einzelne von ihnen haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Kein zweites seiner Porträts führt uns dies so eindringlich vor Augen wie die um 1609/10 entstandene und sehr privat anmutende Geißblattlaube, in der sich Isabella Brant und Peter Paul Rubens als einander zugewandtes Hochzeitpaar zu erkennen geben – eine selbstbewusste und demonstrative Behauptung einer idealen bürgerlichen Verbindung zwischen ebenbürtigen Partnern in einer vorbürgerlichen Gesellschaft.

Der Zeichner Slawomir Elsner (*1976) richtet seinen forschenden Blick auf dieses Meisterwerk des flämischen Barocks, einen wahren Publikumsliebling der Alten Pinakothek, um es in der Pinakothek der Moderne in seinem Projekt Case Studies on Rubens künstlerisch zu befragen. In einer Suite von 17 graphischen Paraphrasen – jeweils in der beeindruckenden Größe des Gemäldes von 178 × 136,5 Zentimetern – wirft er, einer empirischen Fallstudie gleich, die Frage nach der Relevanz und der Bedeutung des Originals auf. In seinen zeichnerisch-analytischen Recherchen geht er so weit, das Motiv vor unseren Augen als Erinnerung zwischen Bild und Abbild immer wieder neu und anders zu evozieren und unser Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögen an Rubens’ Gemälde herauszufordern.

Scheinbar spielerisch zitiert er auf einzelnen Blättern historische Reproduktionstechniken und erschafft das Gemälde, die Qualitäten der jeweiligen Technik suggerierend, jedes Mal überraschend neu. Künstlerisch interessiert ihn das historische Bemühen, einzigartige Meisterwerke durch adäquate Formen der Reproduktion im Bildgedächtnis zu halten, immer in dem Bewusstsein, sich dem Original nur abstrahierend annähern zu können. Mit jeder Neuschöpfung stellt sich die Frage, was jenseits der Erinnerung an das Original der ästhetische Mehrwert der jeweiligen Paraphrase sein kann, welches neue sinnliche Erlebnis sich einstellt und ob Sehen und Erinnern nicht auch eine geistige Auseinandersetzung sind, bei der das Phänomen der Abstraktion in der Natur der Sache liegt.

Schlussendlich laufen seine virtuos formulierten künstlerischen »Fallstudien« darauf hinaus, uns im Zeitalter einer nie da gewesenen Bilderflut die Frage zu stellen, welche Kunstwerke in unserem persönlichen Bilderschatz bewahrt werden und auf unser Verständnis der Welt einwirken. Auf welche Weise und weshalb spricht uns ein historisches Bild vom Rang der Geißblattlaube an, was memorieren wir nach einem Besuch im Museum und welches Eigenleben führt das Bild in unserer Erinnerung? Jetzt schon lässt sich sagen, dass Slawomir Elsners Case Studies on Rubens ein analoges Bildabenteuer und Sehvergnügen herausfordern und gleichermaßen zu einem Museumsbesuch in der Pinakothek der Moderne wie in der Alten Pinakothek einladen.

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