Der große Schwof – Feste feiern im Osten. Der Staat und seine Rebellen

Feiern, Tanzen, Trinken: Zu allen Zeiten galt »Schwofen« als willkommenes Ventil für aufgestaute Energien, die aus dem Diktat von Meinungen, Redeverboten, Diskreditierungen und einer Bevorteilung opportunistischer Verhaltensweisen erwachsen sind. Gezeigt werden nicht nur bekannte und oft reproduzierte Fotografien, sondern auch zahlreiche neue und unbekannte Werke.

Tina Bara, Christiane Eisler, Gerhard Gäbler, Harald Hirsch, Jürgen Hohmuth, Bertram Kober, Werner Lieberknecht, Ute Mahler, Olaf Martens, Roger Melis, Florian Merkel, Barbara Metselaar Berthold, Andreas Rost, Jens Rötzsch, Maria Sewcz, Gabriele Stötzer

Die Ausstellung widmet sich einem ganz speziellen Themenbereich der DDR-Geschichte. Sie blickt auf Feste und auf die Art und Weise diese zu feiern. Im Fokus stehen vor allem die 1980er-Jahre. Das sind jene Jahre, in denen die Fassaden bröckelten, viele Menschen das Land verließen und eine neue, selbstbewusste Generation von Menschen die eigene Existenz hinterfragte. In dieser Zeit spielten Feste und Feiern eine große Rolle, waren essenziell – etwas, das in geschlossenen Gesellschaften eine hohe Relevanz besitzt. Insgesamt werden im Dieselkraftwerk Cottbus und in der Rathaushalle Frankfurt (Oder) mehr als 300 Fotografien von 31 Künstler:innen gezeigt, die sich mit diesem privat und öffentlich so gewichtigen Thema auseinandersetzen. Die einzelnen Kapitel sind verrückt, langweilig, von außerordentlicher Schönheit oder so stumpf wie ein normierter Alltag nur sein kann. Sie sind so heterogen wie das Leben und die Lebenserfahrungen in diesem untergegangenen Land. Jenseits aller Klischees vom grauen Osten zeigen die Präsentationen in Cottbus und in Frankfurt (Oder). ein höchst überraschendes Stück Alltagskultur – lebendig, bunt und überraschend vielfältig.

In den Ausstellungsräumen im Cottbuser Dieselkraftwerk sind ironische Beobachtungen am Rande staatsoffizieller Anlässe wie dem 1. Mai oder bei Sportfesten und FDJ-Pfingsttreffen den Bildern vom Studentenfasching, von Underground-Partys, enthemmten Abschiedsfesten, Zusammenkünften in anarchistischen Klubs oder wilden Feten der Punkszene gegenübergestellt. Offiziell veranstaltete Misswahlen in der Wendezeit treffen auf die legendären Modeschauen »Chic, Charmant, Dauerhaft« oder das absurde Spektakel einer Kabarettgruppe.

In der Frankfurter Rathaushalle untersucht die Ausstellung Feste auf dem Dorf und in der Stadt. Egal ob auf dem Land oder im städtischen Raum – geschwoft wurde überall. Die Menschen trafen sich spontan und mehr oder weniger organisiert, in privaten oder inoffiziellen Runden oder in oft eigens hierfür geschaffenen Nischen. Jenseits der Zwänge des Alltags und verordneter Ideologie entzog sich dieses »andere« Leben weitgehend offizieller Kontrolle und eröffnete wohltuende Freiräume. Neben den gesetzlichen Feiertagen und den damit verbundenen alljährlichen Ritualen entwickelte sich so eine lebendige Subkultur der Unterhaltung, angesiedelt in Clubs, Bars, Cafés, Kneipen und im privaten Umfeld. So reicht das Spektrum von der Sause in der Kleingartensparte über Dorfhochzeiten, Jugendweihefeiern, hin zu Begegnungen mit Rockfans, einsamen Nachtschwärmern, Rummelbesuchern und Tanzwütigen sowohl in der Dorf-Disco als auch im Szenelokal.

Die Bilder an den beiden Ausstellungsorten zeigen deutlich, welche Vielfalt trotz schwieriger politscher Bedingungen möglich war – unwiederbringliche Momente des Lebens und des Miteinanders. Doch die umfassende Bilderschau ist nicht nur eine Reminiszenz an die Kultur des Festefeierns in der Vergangenheit, sie widmet sich auch der ostdeutschen Fotografie als Medium und künstlerischer Bildform, die gesellschaftliche Selbstverständnisse unmittelbar und aktuell vergegenwärtigt.

Die Ausstellung wurde von Petra Göllnitz kuratiert und wurde bereits von Juli bis Mitte Oktober 2023 in der Kunstsammlung Jena gezeigt. Nach der Präsentation im BLMK wird die Schau im Sommer 2024 in der Kunsthalle Rostock ihre vorerst letzte Station haben. Zur Ausstellung erschien ein Katalog mit 240 Seiten und ca. 270 Abbildungen. Neben den zahlreichen Abbildungen und zwei einführenden Texten werden alle Künstlerinnen und Künstler mit eigenen Statements/Textzitaten und Kurzbiografien vorgestellt.

Zur Ausstellung erschien ein Katalog.

Eine Kooperation zwischen der Kunstsammlung Jena, der Kunsthalle Rostock und dem Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst

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