Sammlungspräsentation: Pablo Picasso Suite 156

mit Kubra Khademi

Am 8. April 2023 hat sich Pab­lo Pi­cas­sos Todes­tag zum 50. Mal ge­jährt. Un­ter dem Ti­tel The Pi­cas­so Cele­bra­tion 1973–2023 neh­men eine Vielzahl von Ausstel­lun­gen in Eu­ro­pa und den USA die­sen Jahres­tag zum An­lass, sein Werk dem heuti­gen Pub­likum näher zu brin­gen. Die Samm­lung des Mu­se­um Lud­wig be­her­bergt die dritt­größte Samm­lung Pi­cas­sos weltweit und beteiligt sich im Ju­biläum­s­jahr mit der Gra­fik-Samm­lungspräsen­ta­tion Suite 156, einem späten Werk des Kün­stlers: 155 Radierun­gen aus den Jahren 1968 bis 1972.

Der Ent­ste­hungszei­traum des Zyk­lus ver­lief par­al­lel zu den weltweit­en sozio-kul­turellen Bürg­er­rechts­be­we­gun­gen, die in Pi­cas­sos Wahl­hei­mat Frankreich 1968 im so­ge­nan­n­ten Paris­er Mai ihren Höhep­unkt fan­den. In seinem let­zten druck­gra­fischen Zyk­lus erkun­det Pi­cas­so per­sön­liche Erin­nerun­gen, Liebe, Leben und Ster­blichkeit, die west­liche Kunst- und Kul­turgeschichte sowie die Bezie­hun­gen zwischen Kün­stlern, Mod­ellen und Be­trachtern. Ihr verbin­den­des Mo­tiv ist Eros, der griechische Gott der ero­tischen Be­gierde, der als Leben­strieb und Lei­den­schaft aller Su­jets aus­drückt. Bei der Er­st­präsen­ta­tion im Früh­jahr 1973 in Paris stieß die Se­rie auf gemischte Reak­tio­nen. Pos­i­tive Kri­tiken würdigten Pi­cas­sos tech­nisch­es Kön­nen, je­doch führte die ex­pl­izite Darstel­lung sex­ueller Ver­hal­ten­sweisen zu Kon­tro­versen. Diese Au­sei­nan­derset­zung bildet den Aus­gangspunkt der Präsen­ta­tion: zum ei­nen wer­den Be­son­der­heit­en des kollek­tiv­en Ar­beit­ens in druck­gra­fischen Ver­fahren aufgezeigt – Pi­cas­so ar­beit­ete sehr eng mit dem bel­gischen Druck­meis­ter Al­do Crom­me­lynk zusam­men. Zum an­deren ent­s­tand die Suite zu ein­er Zeit des sozialen Wan­dels und kul­turellen Um­bruchs, in der die Frauen­be­we­gung, der Diskurs um Kör­per­bilder, -Pol­i­tiken, Sicht­barkeit und Repräsen­ta­tion sich auch in der Kunst­wis­sen­schaft aus­drückte.

Par­al­lel zum Ent­ste­hungszei­traum der Suite 156 ent­s­tand in Pi­cas­sos Wahl­hei­mat Frankreich an der École des beaux-arts in Paris das Mag­azin Le Tor­chon brule, das von Ak­tivistin­nen und Kün­st­lerin­nen aus dem Mou­ve­ment de libéra­tion des femmes (MLF) her­aus­gegeben wurde. Eine Auswahl an Il­lus­tra­tio­nen, Gra­fiken und Text­beiträ­gen aus dem „men­stru­el­l“ er­schei­nen­den Mag­azin belegt das Wirken femi­n­is­tisch­er, kün­st­lerisch­er Kollek­tive dies­er Zeit.

Ergänzt wird die Präsen­ta­tion der Radier­folge durch eine Ne­upro­duk­tion der zeit­genös­sischen afghanischen Kün­st­lerin Kubra Khade­mi (*1989 Ghor, Afghanis­tan). Ihre Kunst set­zt sich poli­tisch und zu­gleich hu­mor­voll mit ge­sellschaftlichen Nor­mvorstel­lun­gen von wei­blichen Kör­pern und Iden­titäten au­sei­nan­der. Hier­bei wird der Kör­p­er be­wusst als pro­vokant- kün­st­lerisch­es Mit­tel einge­set­zt, um Gesch­lechterg­erechtigkeit einzu­fordern. So ging sie für ihre Per­for­mance Ar­mor 2015 in ein­er Rüs­tung, die den wei­blichen Kör­p­er nach­bildete, durch die Straßen Kabuls. Die Kün­st­lerin musste in Folge das Land ver­lassen und lebt seit­dem in Frankreich im Ex­il. Ihre dreit­eilige Ne­upro­duk­tion von groß­for­mati­gen Gouachezeich­nun­gen zeigt Esel in un­ter­schiedlichen teils ero­tischen Posen, die von der per­sischen Mi­nia­tur und mogulischen Malerei in­spiri­ert ist. Die Zeich­nun­gen vi­su­al­isieren orale afghanische All­t­agskul­tur, in dem sie die Art und Weise auf­greifen, wie Frauen un­tere­i­nan­der über ihr sex­uelles Begehren sprechen und ihr Wis­sen an die näch­ste Gen­er­a­tion von Frauen weit­ergeben.

Diese Blick­umkehr vom männ­lichen zum wei­blichen Blick er­weit­ert das The­ma der sex­uellen Be­gierde um eine außereu­ropäische, wei­bliche Per­spek­tive und bi­etet die Gele­gen­heit, Pi­cas­sos Suite 156 im Zusam­men­hang mit aktuellen De­bat­ten über Kunst und Gen­der zu re­flek­tieren.

Ku­ra­torin: Eboa Iton­do

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