Then I’ll huff and I’ll puff and I’ll blow your house in – Sophia Süßmilch

Then I’ll huff and I’ll puff and I’ll blow your house in heißt übersetzt: »Ich werde husten und prusten und dir dein Haus wegpusten.« Dieser Satz stammt aus dem Märchen Die drei kleinen Schweinchen.

Die Künstlerin Sophia Süßmilch macht viele verschiedene Arten von Kunst. Sie benutzt dafür viele verschiedene Methoden. Sie malt, macht Skulpturen und Performances, aber auch Textil-, Foto- und Videoarbeiten. [Performance-Kunst ist eine künstlerische Darbietung. Eine Aufführung. Auf einer Bühne oder in einem Museum.] In ihrer Kunst beschäftigt sich Sophia Süßmilch mit den ganz großen Fragen der Menschheitsgeschichte: Warum sind wir auf der Welt? Was macht uns menschlich? Oder: Was ist Liebe? Was bedeutet Moral? Diese Fragen behandelt Sophia Süßmilch mit viel Humor. Auf eine ganz eigene, spielerische Art und in ihrer Sprache. Ihre Kunst führt dabei den Betrachter:innen die Widersprüche  gesellschaftlicher Normen und Regeln vor Augen. Ihre Kunst kann berühren oder abstoßen.

Sophia Süßmilch hat für das Kirchenschiff der Kunsthalle Osnabrück eine Einzelausstellung und eine Performance entwickelt. Die Performance wird zur Eröffnung der Ausstellung gezeigt. Die Ausstellung zeigt Skulpturen, Zeichnungen, Fotografie und Textilien. [Textilien sind Stoffe.] Sinnlich werden die Kunstwerke von Musik begleitet. Die Musik wurde extra für diese Ausstellung geschrieben. Die Liedtexte hat Sophia Süßmilch geschrieben. Die Liedtexte und die Bildsprache der Ausstellung erinnern an klassische Märchen. Die Zeichnungen in der Kirche zeigen zum Beispiel Szenen, die aus Märchen stammen könnten. In Märchen weiß man immer sicher: Wer ist gut und wer ist böse? Man soll aus ihnen lernen, wie man sich gut und richtig verhält. Aber in dieser Ausstellung sieht man: So einfach ist es nicht. Wer bestimmt eigentlich, was gut und richtig ist? In den Liedtexten wird aus der Sichtweise von Kannibal:innen gesungen. [Kannibal:innen essen Menschenfleisch.] Sie essen Kinder. Wie die Hexe in dem Märchen Hänsel und Gretel. Die Kannibal:innen in Sophia Süßmilchs Texten lieben aber gleichzeitig auch ihre Kinder. Sie möchten sie verschlingen und sie in ihren Bäuchen vor dem Bösen in der Welt beschützen. Die Kannibal:innen sind also gut und böse zugleich.

The three guinea pigs that live in the exhibition also tell of this in-between: In some countries they are kept as pets, in others as farm animals. This means that their meat is eaten. This shows that some rules in our society are not as fixed as they seem. They are culturally shaped. In other words, they are not innate, but also acquired. Various guinea pig recipes in the exhibition also remind us of this. They hang on the walls of the church nave and can only be read with binoculars.

Mit [HA1] der Ausstellung und der Performance befragt Sophia Süßmilch die besondere Beziehung zwischen »Kind« und »Mutter«. Und sie fragt nach der Rolle, die gebärfähige Menschen in unserer Gesellschaft haben. [Gebärfähig bedeutet: Diese Menschen können Kinder auf die Welt bringen. Weil sie eine Gebärmutter haben.] In der Performance spricht sie darüber auch mit ihrer eigenen Mutter. Unser Blick auf Elternschaft ist bis heute immer noch von einem männlichen Blick geprägt. Das heißt: Menschen mit Gebärmutter sollen in erster Linie Kinder gebären. Und sich um sie zu kümmern. Das ist das Ideal. Sophia Süßmilch entzaubert dieses Ideal. Sie denkt ein fiktives, schaurig-märchenhaftes Bild der Zukunft zu Ende. [Fiktiv bedeutet: Die Künstlerin hat es sich ausgedacht. Die Geschichte spielt nicht in der Wirklichkeit.] In dieser Zukunft widersetzen sich Menschen. Sie wollen keine Gebärmaschinen mehr sein. Bis zur letzten Konsequenz: Was wäre, wenn gebärfähige Menschen gemeinsam beschließen würden: Wir gebären keine Kinder mehr? Wir weigern uns?

Auch der Titel der Ausstellung erzählt von dem männlichen Blick, der unsere Vorstellung von Elternschaft und Familie bestimmt: Then I’ll huff and I’ll puff and I‘ll blow your house in ist ein Zitat aus dem Märchen Die drei kleinen Schweinchen. In dem Märchen möchte der Wolf die drei Schweinchen essen. Die drei Meerschweinchen in der Ausstellung erinnern daran. Das gleiche Zitat wird auch in dem Horrorfilm The Shining von Stanley Kubrick genutzt. In dieser Geschichte versucht ein Mann seine Familie umzubringen. In beiden Geschichten scheitern Wolf und Mann. Sie können ihre Pläne nicht verwirklichen. Sie haben die Stärke der scheinbar Schwächeren unterschätzt. Sie haben sich zu überlegen gefühlt. Das zeigt: Wir können uns gegen die scheinbar Stärkeren wehren. 

Die Performance findet nur einmal am 15.06.2024 in der Kunsthalle Osnabrück statt. Die Performance ist ein Teil der Ausstellung. In der Performance wird die Ausstellung vor den Augen der Besucher:innen eröffnet. Die Dokumentation der Performance kannst du dir in der Kunsthalle ansehen.

In der Ausstellung und Performance werden Themen verhandelt, die starke Emotionen und Erinnerungen provozieren können, wie häusliche Gewalt, Fehlgeburten und Kinderlosigkeit. Wir möchten unsere Besucher:innen transparent darüber informieren. Ein Besuch der Ausstellung und der Performance von Sophia Süßmilch kann als nicht kindergerecht eingestuft werden. Neben den benannten Themen werden die Performer:innen nackt auftreten. Der Besuch obliegt der eigenen und elterlichen Entscheidung. Zur Eröffnung wird während der Performance eine Kinderbetreuung in räumlicher Distanz angeboten. Zudem steht ein Awareness-Team zur Verfügung.

Sophia Süßmilch (DE) lebt und arbeitet in München, Berlin und Wien. Einzelausstellungen der Künstlerin waren u.a. zuletzt zu sehen im Francisco Carolinum. Landes Museum, Linz (2023), zu der 2024 eine umfassende Publikation im DISTANZ Verlag erschienen ist, in der G2 Kunsthalle, Leipzig (2023), bei MARTINEZ, Köln (2022 und 2020), bei Russi Klenner, Berlin (2021) sowie im Belvedere 21, Wien (2018). Zudem war Süßmilch an bedeutenden Gruppenausstellungen u.a. im Ludwig Forum Aachen (2021), im Kunstpalast Düsseldorf (2020) und im Kunstforum Wien (2020) beteiligt. Sophia Süßmilch ist Preisträgerin des Förderpreises für Bildende Kunst der Landeshauptstadt München (2020) und des Bayerischen Kunstförderpreises (2018). Sie erhielt das Marianne-Defet-Malerei-Stipendium (2022-2023) sowie das Studien-Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung in den USA (2011).

Eröffnung: 15. Juni 2024, 16 Uhr

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