›Winds of the Anthropocene‹ – Heather Dewey-Hagborg, Kyriaki Goni, Arjuna Neuman & Denise Ferreira da Silva, Sybille Neumeyer, Mimi Ọnụọha

Mit›Winds of the Anthropocene‹ [1] präsentiert der Heidelberger Kunstverein fünf künstlerische Filme, die sich mit biologischen und technologischen Systemen auseinandersetzen und das Verhältnis zwischen menschlicher und nicht-menschlicher Geschichte untersuchen. Die Arbeiten plädieren für eine nicht vom Anthropozentrismus geprägte Beziehung zur Erde und werden in einer bestimmten Reihenfolge im UG des HDKV gezeigt.

Das Anthropozän ist unsere Gegenwart, der Mensch die dominierende geologische Kraft und der Klimawandel die unbeabsichtigte Folge. Trotz der Kritik an der trügerischen Universalität, die das Präfix ›anthropos‹ (altgriechisch für ›Mensch‹) impliziert, ist das Anthropozän nach wie vor die populärste Bezeichnung für unser geologisches Zeitalter. Die Filme spüren diesem Erbe aus der Zeit der Aufklärung nach und beschäftigen sich nicht nur mit den ökologischen, sondern auch mit den sozialen und kulturellen Auswirkungen menschlichen Handelns.

Dabei drehen sie sich um scheinbar neue Technologien, richten den Blick aber auch auf die Vergangenheit – auf Überreste der natürlichen Welt, auf Ökosysteme und indigene Kulturen, die verdrängt wurden. Die Arbeiten verbannen den modernen Geist, der die Welt als gegeben hinnimmt, und zwingen uns, aus dem zu lernen, was wir eigentlich für überholt halten. Sie fordern uns dazu auf, in größeren zeitlichen Dimensionen zu denken und den Menschen als eine Minderheit unter einer Mehrheit anderer Lebewesen zu definieren. [2]

Sybille Neumeyers spekulativer Videoessay ›Souvenirs entomologiques #1: odonata / weathering data‹(2020) erforscht die Verflechtungen von Menschen, Wetter und Insekten in einer datengesteuerten Welt. Der Film folgt Libellen durch Zeit und Raum: von ihrer Vergangenheit in eine ungewisse Zukunft, aus Ökosystemen in Museumssammlungen, aus Wetterwelten in Datenwolken. Insektenidentitäten werden durch Kartierungs-, Überwachungs- und Sammlungsmethoden vermittelt und neu geformt.

Bei Kyriaki Gonis Arbeit ›The mountain-islands shall mourn us eternally (Data Garden Dolomites)‹ (2022) handelt es sich um ein CGI-Video – in den „Computer Generated Images“ spricht eine Pflanze zu uns. ›Data Gardens‹, so erfahren wir, sind Netzwerke von Pflanzen, die digitale Informationen speichern und über den ganzen Planeten verteilen. Ausgehend von diesem hypothetischen Szenario und unter Verwendung von Aspekten aus der jüngsten wissenschaftlichen Forschung über die Datenspeicherkapazität des genetischen Materials von Organismen, untersucht die Arbeit die DNA als technisches Medium.

Die Protagonisten in Heather Dewey-Hagborgs als Oper konzipiertem Film ›Hybrid: an Interspecies Opera‹ (2022) sind Schweine, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie sich als Herzspender für Transplantationen eignen. Der Film wirft die Frage auf, ob die Gen-Editierung mittels der sogenannten CRISPR-Genschere einen radikalen Bruch mit der jahrtausendealten Praxis der selektiven Züchtung darstellt oder ob es sich um deren Fortsetzung handelt.

In ›These Networks In Our Skin‹ (2021) von Mimi Ọnụọha verlegen vier Frauen Internetkabel neu und füllen sie mit Haaren und Gewürzen – Materialien, die mit Ritualen und Gemeinschaft assoziiert werden. Sie fügen sich in die technische Infrastruktur ein und machen deutlich, dass sie lediglich andere kulturelle Werte ersetzen, die dort bereits verankert sind.

›4 Waters-Deep Implication‹ (2018) von Denise Ferreira da Silva und Arjuna Neuman erzählt die haitianische Revolution neu und verbindet sie mit einem Erdbeben im Jahr 1784. Dieses Erdbeben ist der Katalysator der Revolution – eine Vorhersage der schwarzen Unabhängigkeit. Der Film führt über vier Meere – das Mittelmeer, den Atlantik, den Pazifik und den Indischen Ozean – und nach Lesbos, Haiti, auf die Marshall-Inseln und die Tiwi-Inseln, um Themen wie Kolonialismus und ökologische Verwüstung anzusprechen und die Verbindung zwischen geologischen Verschiebungen und der Produktion von Wissen zu untersuchen.

Kuratiert von Johanna Hardt

[1] Der Titel ist folgendem Buch entliehen: Anna Tsing, Heather Swanson, Elaine Gan, Nils Bubandt Tsing (Hg.), ›Arts of Living on a Damaged Planet‹, Minneapolis 2017, S. 1.

[2] Vgl. Dipresh Chakrabarty, ›The Climate of History in a Planetary Age‹, Chicago 2021, S. 195 (auf Deutsch erschienen unter dem Titel ›Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter‹, Berlin 2022).

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